Daten sprechen nicht für sich. Reports auch nicht.

Es hat System, wenn von Chefs angeforderte Daten in der Chefetage erst mal für Enttäuschung sorgen. Datenverantwortliche brauchen Autorität, um bei Informationssystemen mitreden zu können. 

Jedes Mal, wenn jemand konkret bestimmte Daten verlangt, entsteht daraus ein Problem. „Schicken Sie mir die Liste mit den meistverkauften Produkten“, „Ich möchte eine Übersicht der jede Woche veröffentlichten Kolumnen“, „Wieviele Abschlüsse hat diese Kampagne generiert?“ – das Ergebnis solcher Anforderungen ist jedes mal vor allem eines: Enttäuschung. 

Menschen, die nicht täglich mit Daten und dem was Daten abbilden sollen, stellen auf den ersten Blick einfache und präzise Anforderungen. Ergebnisorientierte und konkrete Fragestellungen sind aber selten der direkte Weg zur Information. Daten sind Ansammlungen von Markierungen – zu Information werden sie nur dann, wenn sie in Beziehung gesetzt werden können, wenn sie in spezifischen Fragestellungen mit Bezug auf konkrete Ergebnisse zu Entscheidungen führen können. 

Es ist ein Missverständnis, Entscheidungen oder Ergebnisse in Daten finden zu wollen. Es ist auch ein Missverständnis, Daten als unverfälschte unbearbeitete Rohdaten zu betrachten, über die man dank der eigenen Unvoreingenommenheit zur tatsächlichen Erkenntnis kommt. 

Um Listen, Berichte, Daten einschätzen zu können, ist es notwendig, ihre Herkunft zu kennen, die angelegten Messkriterien zu verstehen, Anomalien zu erkennen und einordnen zu können und einer konkreten Fragestellung mit einem angestrebten Ziel nachzugehen. 

Alles andere ist kaum von der Sammelwut eines Messis zu unterscheiden, der sich über neue säckeweise gelieferte Anhaltspunkte freut, aber keine konkrete Verwendung dafür findet. 

Besser, als vermeintlich präzise Datensätze anzufordern, wäre es, diese Fragestellungen und Ziele zu formulieren. Jemand, der die verfügbaren Daten und ihre Objekte kennt, kann dann Vorschläge machen, wie diese Fragen am besten beantwortet werden können, und noch besser, mit welchen Daten die Information geschaffen werden kann, mit der am besten gesteuert werden kann, wie die angestrebten Ziele erreicht werden können. 

Oft sind dazu Eingriffe in bestehen Messkriterien und Analysesysteme notwendig. Neue Messungen müssen eingerichtet werden, um Vergleichbarkeit zu schaffen oder mit neuen Skalen messen zu können. 

Das setzt eine gewisse Autorität von Datenverantwortlichen voraus. Sie sollen gefragt werden – und sie müssen Maßnahmen und Prozessveränderungen vorschlagen können. Ein Chief Data Officer ist keine Python-Programmiererin und kein Statistiker, sondern jemand, der das Geschäft inhaltlich kennt, Prozesse organisieren kann, mit Berechnungen experimentieren kann und anhand von veränderte Zutaten zu den Kochrezepten seiner Algorithmen unterschiedliche Ergebnisse prognostizieren kann. 

Aber nichts davon entscheiden Daten oder Berechnungen. Entscheidungen liegen immer noch bei Prozessen, Personen und Bossen. Wer deshalb schlechte Arbeit in seinen Datenteams kritisiert, kritisiert sehr oft eigene Entscheidungsschwächen und mangelnde Bereitschaft, als Chef Entscheidungen durchzusetzen. 

Ein Mindesmaß an Autorität und Spielraum für Datenverantwortliche ist notwendig, um der Tatsache gerecht zu werden, dass Daten historische, kontextbezogene und veränderliche Elemente sind, deren Geschichte gut bekannt sein muss, bevor sie sinnvoll genutzt werden können. Wissenschaftsgeschichte und Technologiephilosophie kennen das gut. Informatik und Statistik ignorieren das leider oft gerne.