Datenpolitik #2: Gibt es Datengerechtigkeit?

Die Europäische Union greift durch, die EU weist Big Tech in die Schranken, die Kommission geht hart gegen die Tech-Giganten vor — Storys mit ähnlichen Punchlines waren in den letzten Wochen vermehrt zu lesen. Mausert sich Europa von der Rolle des Mauerblümchens, das die coolen Giganten des Silicon Valley neidisch beobachtet und ansteckend schlechte Stimmung verbreitet, zur Lichtgestalt, die den guten und sinnvollen Einsatz von Technologie, Daten und KI vorantreibt?

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Das Medienecho ist diese Woche anerkennend. Und: Auch die USA und China packen immer mehr Technologie-Restriktionen auf den Tisch. Der ultrakonservative Ron DeSantis etwa legt sich nach seinem Clinch mit Micky Maus jetzt mit Instagram an. China schließlich betrachtet die Diskussionen zur Eigentümerstruktur von TikTok als Wirtschaftskrieg der USA.

Viel Freude mit der Datenpolitik-Woche,
Michael Hafner


Datennews: Robin Hood vs. Silicon Sheriff

Sind die Guten heute die, die anderen sagen, was sie nicht tun dürfen? Man kann den Eindruck gewinnen, dass Europa damit punktet, anderen ihr Spiel zu verderben. Eine Reihe anerkennender Schlagzeilen inszeniert eine Auseinandersetzung zwischen der Europäischen Union und den Silicon Valley-Giganten. Eine Auseinandersetzung, in der ein Kontinent Unternehmen gegenübersteht. Der Ablauf ist nicht neu, aber die Dimensionen sind gewachsen.

  • Das Lobbycontrol-Bündnis fordert unter dem Motto Rebalancing Europe noch strengere Regeln für Big Tech und gegen Monopole. Am Sonntag (15. April) wird dazu in Brüssel diskutiert.
  • Euractiv dagegen lobt die Kommission für das harte Durchgreifen: Dank Digital Services Act stehen Strafen und Auflagen für Apple, Meta und TikTok an. Auch Pornoseiten gelten jetzt als “systemische Risiken”.
  • Die IT-News-Seite Golem vermutet, dass der Digital Markets Act bereits Wirkung zeigt: Kleine Browser sind auf dem Vormarsch. Die Nutzung alternativer Browser und Suchmaschinen gilt als eine wesentliche Strategie gegen die Dominanz von Google auf beiden Gebieten.
  • Google selbst reagiert schon etwas beleidigt und kündigt regulierungsbedingte TradeOffs an: Die Servicequalität in Europa werde sich verschlechtern.Reisebuchungen über Google etwa seien schon deutlich zurückgegangen (zu Lasten von Hotels). Einschränkungen bei der Anzeige in Bilder- oder Mapssuche seien ebenfalls Rückschritte für User.

Ist also was dran an der Behauptung, dass sich Europa ins Abseits reguliert, ist die Robin Hood-Legende von Einsatz für die Rechte der Schwachen nicht haltbar?

Allerdings soll sich zuletzt auch die Biden-Administration zustimmend zum Digital Services Act geäußert haben. Das kann allerdings auf herandräuende Wahlkampfauseinandersetzungen mit Trumps Propagandaschleudern zurückzuführen sein.


Lasst die Kinder doch ihre Zeit verschwenden

Europa liegt im Clinch mit US-Konzernen, die US-Regierung sieht dabei unschlüssig zu und stolpert dabei selbst in ähnliche Auseinandersetzungen mit China. TikTok war in den letzten Wochen sehr aktiv in Sachen Public Relations und Public Affairs unterwegs, um drohenden Auflagen für die Eigentümerstruktur entgegenzuwirken.

Im Westen wirbt TikTok um Vertrauen, in China wird aus der Auseinandersetzung der Vorbote eines Wirtschaftskriegs der USA. TikTok als Sicherheitsrisiko sei lächerlich, meint die regierungstreue South China Morning Post — schließlich bekomme China hier nur Daten darüber, bei welchen dummen Sachen Teenager sich gerne filmen. Aber wenn man generell digitale Plattformen einschränken wolle — China sei gern dabei.


Jugendschutz: Trial & Error bei Regeln und Verboten

Entgegen dem weitverbreiteten Vorurteil vom sich ins Innovationskoma regulierenden Europa bemühen sich auch andere Regierungen, die Macht von Technologie einzudämmen. China etwa nimmt die Bürde auf sich, noch vor dem EU AI Act erste KI-Regulierungen erlassen zu haben.

Nachdem ein Instagram-Verbot für unter 16-Jährige in Florida lustigerweis zuletzt am Veto des ultrakonservativen DeSantis gescheitert war (für DeSantis ist Disney zu progressiv und Micky Maus Aktivist einer linken Homo-Lobby), kam jetzt doch das Aus für unter 14-Jährige. Deren Konten bei “süchtigmachenden” Diensten sollen von diesen gelöscht werden.

Mit dem Digital Services Act gehen auch zahlreiche Jugendschutzvorschriften einher. Aktuell viel diskutiert, aber noch ohne konkrete Lösung: die Altersüberprüfung für Jugendliche. Wir das der erste Schritt von umfassenden Identity-Checks für alle im Netz?

Und noch einmal China: Douyin, die chinesische TikTok-Version,erlaub unter 14-Jährigen nur noch 40 Minuten Onlinezeit, und das nur zwischen 6 Uhr morgens und 10 Uhr abends. Die Altersüberprüfung erfolgt dabei laut einem Bericht der MIT Technology Review auf freiwilliger Basis. Gaming-Services, die noch strengeren Regeln unterliegen, müssen mit Gesichtserkennungsservices kooperieren.


Sind solche Drucke eigentlich das Produkt von Übersetzungsfehlern, passiert das in der Grafik, sind das zufällig ausgewählte Zeichen, deren Bedeutung eben gerade niemand entschlüsseln kann? Und sind die diversen asiatischen Schriftzeichen auf T-Shirts oder Tätowierungen ähnliche Unfälle?

About

Ich bin Journalist, Wissenschafts- und Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Informatiker und Datenanalyst. Aktuell analysiere und begleite ich die Digital Subscriptions der Kronen Zeitung.

Davor war ich zehn Jahre Chronikreporter, zehn Jahre Projektleiter und Digitalexperte in Banken, Telekomunternehmen und Verlagen und zehn Jahre selbstständiger Medienproduzent.